Maly: "Die schwerste Entscheidung meiner Amtszeit"

Nürnberg  - „Ohne Jugend ist kein Staat zu machen.“ Unter diesem Titel haben sich 50 angehende Bankkaufleute der Berufsschule4 drei Tage lang in Begleitung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Nürnberger Kommunalpolitik befasst. Gestern konfrontierten sie Oberbürgermeister Ulrich Maly in einer „Ratssitzung“ mit Forderungen.

Um es vorwegzunehmen: Wer die echte Ratssitzung am Mittwoch und die gespielte am Freitag verfolgt hat, muss feststellen: Mit dieser Jugend ist ein Staat zu machen! Das dickste Lob kam von Maly selbst: „Es macht Spaß mit euch! Die eine oder den anderen sieht man irgendwann im Rat wieder.“

Dabei hatte es anfangs gar nicht danach ausgesehen. Zum Start des Planspiels am Mittwoch in der Schule kamen Peter Kührt von der B4 Zweifel. Die Begeisterung der Politik hielt sich in Grenzen, er schaute eher in gelangweilte Gesichter. „Es gibt leider ein gewisses Desinteresse der Jugendlichen an Politik und, was schlimmer ist, eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie“, bedauert Harald Zintl von der Ebert-Stiftung. „Doch das Interesse unserer Schüler ist bei dem Planspiel mit jedem Tag gewachsen“, freut sich Kührt. „Ihr wart stark“, zollte auch er den jungen Erwachsenen zum Schluss Respekt.

Die Schüler hatten für ihr Politik-Projekt fünf Fraktionen gegründet, von der „Jugendpartei Nürnberg“ über das „Bündnis junger Frauen“ bis zu „Die Aktiven“. Im Stadtrat holten sie sich am Mittwoch erste Anregungen. Am Donnerstag folgte ein Treffen mit sieben Stadträten. Gemeinsam formulierten Schüler und „Profis“ Anfragen und Anträge für die Sitzung mit dem Oberbürgermeister. Die Themen setzten die Jugendlichen.

Der größte Aufreger ist die Erhöhung der VAG-Fahrpreise um bis zu 30 Prozent. Der Antrag der „Aktiven“, dies zurückzunehmen, fand eine große Mehrheit. „Durch die höheren Preise werden Busse und Bahnen unattraktiver“, meinte ein Schüler. Die Sorge: Verärgerte Fahrgäste steigen aufs Auto um. „Die Folgen sind mehr Umweltverschmutzung, Lärm, Staus und Straßenschäden.“ Erstaunlich offen sagte Maly: „Ihr habt recht. Das ist die wohl schwerste Entscheidung in meiner Amtszeit.“ Doch er erklärte, dass der VAG jedes Jahr 15 Millionen Euro fehlten, daher führe an der Fahrpreiserhöhung kein Weg vorbei.

Dafür sorgte der OB mit einer Ankündigung für zufriedene Gesichter. Die „Partei mit Herz“ wollte wissen, ob die U-Bahn auch nachts fahren könne wie der NightLiner am Wochenende. Das bringe nicht wirklich etwas, so seine Antwort, weil der Betrieb sehr teuer sei und längst nicht alle Fahrgäste an den Linien wohnen. Doch Maly kündigte an, dass spätestens in anderthalb Jahren wohl der NightLiner auf den Donnerstag ausgeweitet wird. „Da sind sich alle Fraktionen einig“, sagte er; auch wenn es die VAG im Jahr 330000 Euro koste.

Politik kann doch Spaß machen

Die Schüler bohrten auch nach, was aus dem Z-Bau wird (Maly: „Wir investieren zehn Millionen Euro“), und wollten wissen, wie viel Geld die Stadt für den Ausbau des Frankenschnellwegs erhält. „Wir verhandeln noch mit dem Freistaat“, erklärte er. Er gehe davon aus, dass im Oktober eine Entscheidung verkündet wird. „Dann tagt das bayerische Kabinett in Nürnberg. Das ist doch ein wunderbarer Augenblick für die Staatsregierung, die Förderquote zu verkündigen.“ Dass dann die Staus und Umfahrungen bei den jahrelangen Bauarbeiten „fürchterlich“ werden, räumte er auf Nachfrage ein. Maly: „Dafür bauen wir ja für 100 Jahre.“

Gerungen wurde um den Ausbau der Kleinkinderbetreuung durch Eltern und mehr Parkplätze am Augustinerhof (beides abgelehnt). Zustimmung gab es für die Sanierung von Jugendeinrichtungen und höhere Investitionen — auch durch Land und Bund — in Wohnraum für Junge.

Nicht nur für Lisa Misof (18) war das Projekt eine Selbsterkenntnis. „Politik kann doch attraktiv sein“, stellte sie fest. „Ich habe damit vorher nichts am Hut gehabt.“ Vor allem das Argumentieren habe ihr Spaß gemacht. Mario Galazzo (18), bereits aktiv in der Kirchengemeinde, kann sich vorstellen, nun auch politisch aktiv zu werden.