Stadtratsluft zum Probeschnuppern

Nürnberg - Unter dem Motto „Ohne Jugend ist kein Staat zu machen“ bot sich zwei Klassen der Berufsschule 4 die Gelegenheit, am dreitägigen Planspiel Kommunalpolitik in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung teilzunehmen.

Einmal Stadtrat sein: Beim Planspiel Kommunalpolitik in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung hatten angehende Bankkaufleute die Gelegenheit, in den Sitzungsalltag zu schnuppern.

Die angehenden Bankkaufmänner und -frauen bekommen hierbei nicht nur einen theoretischen Überblick über regionale Politik, sondern können in Gesprächsrunden und Sitzungen aktiv und kreativ mitwirken.

Bereits seit 1925 arbeitet die Stiftung, als älteste und größte ihrer Art, auf die politische Bildung von Menschen aller Schichten hin. Am ersten Projekttag lernen die Jugendlichen das Einmaleins der Kommunalpolitik. Begriffe, die man immer wieder hört, werden erklärt und bekommen für die jungen Menschen eine Bedeutung. Dann werden interessante Themen aus der Kommune gesammelt, bei denen Handlungsbedarf besteht, und anschließend Fraktionen mit einem Vorsitzenden und Stellvertretern gebildet. Besonderer Höhepunkt ist der Besuch einer echten Stadtratssitzung. Die Berufsschüler können hier der Diskussion über kommunale Angelegenheiten beiwohnen und den Oberbürgermeister und die Stadträte im Umgang miteinander erleben.

Am zweiten Projekttag erarbeiten die Schüler Anfragen und Anträge für eine gespielte Sitzung. Mitglieder des Nürnberger Stadtrates stehen hier beratend und leitend zur Seite. „Wir wecken das Politikinteresse der Jugendlichen, da unser Team selbst sehr jung ist und wir das politische Geschehen lebhaft erfahrbar machen“, so Sarah Gailer. Die 22-jährige Studentin leitet mit drei weiteren Betreuern das Projekt. Besonders effektiv sei der direkte Kontakt mit „echten“ Politikern. Das Konzept scheint bei den Schülern aufzugehen: „Gerade das persönliche Gespräch mit den Politikern lässt uns die Politik ganz anders erleben, als wir es aus den Medien kennen, und Politik gehört einfach zum Allgemeinwissen“, sagt Elena Steigerwald.

Junge Leute sind nicht faul und Politiker nicht verstaubt

Vorurteile auf beiden Seiten werden abgebaut – weder ist die Jugend so politikverdrossen, uninteressiert und faul noch sind die Politiker verstaubt und langweilig, wie oftmals fälschlicherweise angenommen wird. „Ich halte unsere Jugend nicht für uninteressiert – im Gegenteil, die jungen Leute können aus einem großen Pool wie dem Internet und dem Fernsehen sehr viel Wissen schöpfen und sind viel informierter als wir damals“, so Theodoros Agathagelidis, seit 16 Jahren Stadtrat in Nürnberg. Er setzt sich auch dafür ein, sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht ab 16 Jahren zu ermöglichen.

Für den betreuenden Lehrer Peter Kührt ersetzen solche Projekte, die den Unterricht anschaulicher und erlebbar machen, jedoch nicht den klassischen Unterricht. Für die Persönlichkeitsentwicklung seien sie aber von enormem Wert. Zusätzlich zum Ablauf des Kurses wurden den Schülern unterschiedliche Aufgaben wie Fotodokumentation, Filmdokumentation, Bauen einer Internetseite zum Projekt und finanzielle Organisation zugeteilt. „Diese Zusatzaufgaben, mit ihren positiven Ergebnissen, formen die Persönlichkeit, und Erfahrungen im Projektmanagement sind einfach zentrale Aufstiegsqualifikationen in der Arbeitswelt“, so Peter Kührt.

Das Finale am dritten Tag krönt das Planspiel mit einer gespielten öffentlichen Sitzung. Oberbürgermeister Ulrich Maly eröffnet die Sitzung. Für die nächsten zwei Stunden sind die Jugendlichen Stadträte von Nürnberg und stellen ihre Anfragen an den OB. Unter den Augen von Freunden, Familie und der Presse argumentieren sie zielgerichtet über die Themen, die ihnen am Herzen liegen, und stimmen schließlich über Anträge ab.

„Wir werden hier richtig mit Politik konfrontiert und werden sogar ein Teil davon, so macht das Lernen viel mehr Spaß“, so Schüler Michael Petsch. Der 18-Jährige sieht es als Privileg, sich ein Politikverständnis anzueignen. Es gäbe schließlich Länder ohne Demokratie und Beteiligungsmöglichkeiten. Und weil Kommunalpolitik vor der Haustür stattfindet, gehe sie jeden etwas an.